Unser Mandant ließ seine Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Hannoverschen durch unsere Kanzlei prüfen im Glauben daran, einen guten Vertrag mit der Option auf Abschluss einer Risikolebensversicherung ohne Risikoprüfung abgeschlossen zu haben. Doch der Vertrag scheint das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht…
Abgeschlossen wurde eine BU-Rente in Höhe von 1.000 Euro monatlich für einen Studenten im Tarif B1-E 5 S, also Exklusiv Starter. Hierbei sollten in den ersten fünf Jahren 21,30 Euro und ab dem sechsten Jahr 50,86 Euro gezahlt werden. Eingeschlossen sein sollte eine Option auf den Abschluss einer Risikolebensversicherung zu späterer Zeit (zum Beispiel bei Familiengründung) ohne Risikoprüfung.
Der Versicherungsschein weißt jedoch einen (ohne nähere Begründung eingerechneten) Risikozuschlag aus, so dass für den Vertrag 27,18 Euro in den ersten fünf Jahren und 70,96 Euro ab dem sechsten Jahr zu zahlen wären. Insgesamt sollten über 42 Jahre nunmehr Beiträge in Höhe von 37.394,64 Euro gezahlt werden.
Nur probehalber verglichen wir diese Prämien mit den Beiträgen für eine gute Absicherungsmöglichkeit von Studierenden bei der Alte Leipziger, wofür über die Gesamtlaufzeit 30,20 Euro pro Monat zu zahlen wären – also in den ersten fünf Jahren etwas mehr als bei der Hannoverschen, ab dem sechsten Jahr jedoch weniger als die Hälfte und insgesamt somit 17.032,80 Euro. Ob und in wie weit ein Risikozuschlag anfallen würde, war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Aus aktueller Sicht dürfte jedoch keiner anfallen – es sind jedenfalls keine Umstände ersichtlich, welche einen solchen rechtfertigen.
Zudem war im Kleingedruckten der Ausschluss allergischer Reaktionen vereinbart, ohne dass dies deutlich genug hervorgehoben wurde, sondern sich optisch unter dem Endruck, es sei etwas völlig normales, in den Textfluss des Versicherungsscheines einfügte.
Besonders kritisch erwies sich jedoch das „Kleingedruckte“. Denn abgesehen davon, dass die Option auf Risikolebensversicherung den Bedingungen nach den „dann gültigen Tarifierungsmerkmale der Risikoversicherung (z.B. Rauchverhalten, Body-Mass-Index BMI, Beruf“ erfolgen soll und somit praktisch doch eine Risikoprüfung vorgenommen werden würde, so sollte die Option nur bei Geburt oder Adoption eines Kindes ausführbar sein und somit nicht bei Eheschließung oder Hausbau. Doch selbst wenn, man bei diesem Ereignis die Option hätte ziehen wollen, war als weitere Voraussetzung festgeschrieben, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung keine Zuschläge oder Ausschlussklauseln enthalten darf. Aufgrund des Zuschlags und der Ausschlussklausel war demnach also gar keine Option enthalten. Auf diesen Umstand hat die Hannoversche im Versicherungsschein nicht hingewiesen.
Ob und in wie weit hierbei durch die Hannoversche gegen geltendes Recht verstoßen wurde und wird, sollen die Gerichte entscheiden. Für uns aber ist ein solches Verhalten in nicht mehr hinnehmbarer Weise als vertrauensunwürdig anzusehen, so dass wir grundsätzlich davon abraten müssen, mit der Hannoverschen Versicherungsverträge einzugehen, solange sie ein solches Geschäftsgebaren an den Tag legt. Zudem sollten bestehende Verträge mit diesem Haus kritisch geprüft und – soweit hierzu die Möglichkeit besteht, sich zu verbessern – auch der Wechsel zu anderen Gesellschaften erwogen werden.
Wenn auch Sie ein ungutes Gefühl mit Ihrem Versicherer haben und sich gern eine Zweitmeinung einholen wollen, dann sollten Sie sich am Besten von jemandem beraten lassen, der neutral und unabhängig ist und nicht von der Versicherungswirtschaft für den Abschluss oder die Betreuung eines Versicherungsvertrages bezahlt wird – nämlich von den örtlichen Verbraucherzentralen, spezialisierten Rechtsanwälten oder einem der gerade einmal 331 in Deutschland zugelassenen Versicherungsberaterinnen und Versicherungsberater (Stand 30.09.2020, DIHK). Versicherungsberater finden Sie – auch in Ihrer Nähe – unter: BVVB-Beratersuche