Oft wird diese Frage gestellt. Und ebenso häufig sollte die Antwort lauten: „Ausschließlich jene mit einem hohen Schadenpotential!“.
Aber welche sind das?
Betrachten wir einmal das Konstrukt eines Versicherungsvertrages:
Bei einem bestimmten Ereignis soll der Versicherer etwas mehr oder weniger Bestimmtes machen – nämlich in der Regel Geld bezahlen in einer Höhe, über welche dann ebenso regelmäßig Uneinigkeit herrscht. Nehmen wir an dieser Stelle der Einfachheit halber einen Leitungswasserschaden in der Wohnung als Anschauungsbeispiel.
Da meist nicht jedem ein solches Ereignis widerfährt, kann man also das Gesamtrisiko auf viele Personen verteilen. Wenn also 100 Personen einen gegenseitigen Vertrag schließen würden, worin sie festhalten, dass, wenn einer von Ihnen von einem solchen Ereignis ereilt wird, die anderen 99 zu gleichen Teilen die Kosten übernehmen, dann hätten wir einen ursprünglichen Versicherungsvertrag.
Nun wird es aber schwer werden oder lange dauern, 99 Gleichgesinnte zu finden, die ein solches Risiko teilen wollen. Und an dieser Stelle kommen nun die Versicherungsgesellschaften ins Spiel. Sie binden quasi diese 100 Personen (oder sogar noch mehr) in einen gegenseitigen Vertrag, um jeden Einzelnen von Ihnen abzusichern.
Da Versicherungsgesellschaften zumeist wirtschaftlich tätige Unternehmen sind, erhöht sich jedoch der Betrag des reinen Risikos um Abschluss- und Betreuungsprovisionen, Verwaltungskosten, Unternehmensgewinne und die Versicherungssteuer. Es steht also zweifelsfrei fest, dass innerhalb dieser Gruppe mehr Geld aufgewendet wird, als das Risiko selbst erfordert. Jeder Einzelne bezahlt also mehr ein, als er statistisch bei gleichmäßiger Verteilung aller Schäden ausgezahlt bekommen würde.
Merke: Versicherungsverträge sind also aus sich selbst heraus ausnahmslos immer ein statistisches Verlustgeschäft für denjenigen, der sie abschließt, da neben dem eigentlichen Risiko noch erhebliche Nebenkosten anfallen.
Dies gilt insofern auch für Kapital- der Beitragsrückgewähr-Versicherungen, denn der Beitrag landet um die Provisionen verringert und der Zins, den die Gesellschaft erwirtschaftet, um Kosten geschmälert im Vertrag des Kunden.
In diesem Bewusstsein ergibt es ausschließlich dann Sinn, einen Versicherungsvertrag abzuschließen, wenn das versicherte Risiko mit einer Wahrscheinlichkeit eintritt, welche nicht zu vernachlässigen ist und zudem die mögliche Schadenhöhe einen Betrag erreicht, den der Einzelne unmöglich selbst tragen kann oder aber wenigstens nicht selbst tragen möchte.
Eine Versicherung gegen Leitungswasserschäden, die nur dann für den Schaden aufkommt, wenn das Leitungswasser aufgrund von erhöhter Sonneneruption durch atmosphärischen Überdruck austritt, wäre also eher unsinnig, da die Wahrscheinlichkeit dafür vernachlässigbar gering ist, trotz dass in diesem unwahrscheinlichen Fall ein sehr hoher Schaden entstehen könnte.
Auch wäre eine solche Versicherung eher deplatziert, wenn sie zwar bei jeder Art von Leitungswasserschaden die Wiederherstellungskosten begleicht, aber dies nur bis zu einer Höchstsumme von beispielsweise 500,- Euro. Denn ein Betrag dieser Höhe stellt kein existenzielles Risiko dar. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer kann diesen Betrag durchaus selbst aufbringen und sich die Beiträge hierfür sparen. Wie bereits ausgeführt würde er nämlich auf längere Sicht – wenn dieser Schaden jeden Versicherungsnehmer im Schnitt alle fünf Jahre ereilt – nicht nur ein Fünftel davon, also 100,- Euro pro Jahr als Prämie zahlen müssen, sondern beispielsweise 150,- Euro, damit die Versicherungsgesellschaft die Nebenkosten decken kann. Er würde also in 25 Jahren 3.750,- Euro an Beiträgen bezahlen und statistisch aber nur 2.500 Euro an Leistungen zu erwarten haben – nämlich alle fünf Jahre eine Zahlung von 500 Euro.
Es stellt sich also die Frage, welche Ereignisse so schlimm sein können, dass man diese versichern sollte, gleichwohl in dem Bewusstsein, dass man damit ein statistisches Minus erwirtschaftet.
Die Kosten einer Brille von bis zu 150,- Euro alle drei Jahre fallen hier schon einmal nicht darunter. Ebenso wenig kann die vollständige Übernahme der Praxisgebühren sinnvoller Gegenstand eines Versicherungsvertrages sein. Einigkeit dürfte auch darüber herrschen, dass ein „Gipsgeld“ in Höhe von 100,- Euro im Falle eines unfallbedingten Beinbruches kein Abschlussgrund sein kann.
Man kann darüber streiten, ob und in wie weit Anwalts- und Gerichtskosten bis 300.000 Euro für eine Privatperson überhaupt entstehen können und es demnach sinnvoll ist, einen solchen Vertrag abzuschließen, der diese Kosten übernimmt. Für einen arbeitsrechtlichen Streit um ein halbes Bruttogehalt oder eine unberechtigte Nebenkostennachzahlung in Höhe einer halben Monatsmiete jedenfalls dürfte man die Kosten aus den eingesparten Beiträgen der vergangenen oder künftigen Jahre selbst finanzieren können.
Auch ist es berechtigte Zweifel wert, ob man zehn Jahre lang jeden Monat 20,- Euro in eine Versicherung investiert, welche im Fall der Fälle die Kosten von Zahnersatz übernimmt. Denn auch hier gilt die Regel, dass alle Schäden zusammenaddiert (und damit der langfristig zu erwartende Leistungsanspruch verteilt auf jeden Beitragszahler) geringer sein werden, als jene Prämie, welche man insgesamt während der Laufzeit zahlt.
Sinnvoll hingegen ist die Absicherung von Forderungen in mehrstelliger Höhe, zum Beispiel weil man als Radfahrer einen Personenschaden verursacht oder durch das Bohren in die Wand eine Wasserleitung getroffen und mehrere Etagen geflutet hat. Auch stellt das Risiko, von heute auf morgen keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen zu können, eine existenzielle Bedrohung dar. Und der Verlust der eigenen vier Wände durch ein Feuer ist zweifelsfrei dazu geeignet, sich dagegen abzusichern.
Ein nicht zu verachtender Teil der auf dem Versicherungsmarkt angebotenen Produkte allerdings erfüllt diese minimalen Anforderungen – also die nicht zu vernachlässigende Schadenhäufigkeit in Verbindung mit einer die Existenz bedrohenden Schadenhöhe – nicht. Dennoch werden gerade diese Verträge mit besonderer Vorliebe abgeschlossen, denn sie werden durch ein ausgeklügeltes Marketing mit Hilfe suggerierter realitätsfremder Schadensdimensionen, allgegenwärtiger Gefahr und unbedingter Notwendigkeit beworben und verleiten den eher ahnungslosen Versicherungsnehmer dazu, in Erwartung eines Leistungsfalles einen solchen Vertrag zu zeichnen – frei nach dem Motto: das ist wenigstens einmal eine Versicherung, die auch wirklich zahlen muss.
Dabei stellt sich die Frage nach dem mathematisch-statistischen Verhältnis oftmals nicht, obwohl genau diese in erster Linie Entscheidungskriterium sein sollte. Denn wie Sie spätestens jetzt verstanden haben sollten, kosten alle und damit erst Recht ebenjene Verträge, welche häufig kleine Summen auszahlen, in aller Regel und auf Dauer mehr Prämien, als Sie insgesamt an Leistung erwarten zu erwarten haben.
Bedenken Sie dies bei Ihrem nächsten Abschluss oder der allmonatlichen Durchsicht Ihrer Kontoauszüge!